Kaseinleim
Kaseinleim
Hallo liebe Mitholzwerker!
Nachdem ich versuche, Vollholz nicht durch künstliche Leime ihren eigentlichen Mehrwert gegenüber Ikea-Möbeln zu nehmen, versuche ich möglichst viel mit Knochenleim zu machen. Ich merke aber, dass mir dazu einerseits Erfahrung hinsichtlich der Planung als auch die Ausstattung hinsichtlich der Erwärmung größerer Möbelstücke fehlt.
Dazu kommt, dass Knochenleim im Feuchtbereich, also vor allem für ein Schneidbrett, ausscheidet. So kam ich bei der Suche auf Kaseinleim, der ja angeblich wasserfest ist.
Nachdem ich auf youtube dazu ein überzeugendes Video fand (dort aber Kaseinpulver statt Topfen [= Quark auf Österreichisch]) habe ich es nach Durchlesen aller im deutschsprachigen Internet dazu Auffindbaren gleich ausprobiert.
Mein vorläufiges Ergebnis:
5 Teile nicht ausgepresster Magertopfen plus grob 1 Teil Kalkfarbe (aus einem 10kg-Kübel, es gibt auch reine Kalkfarbe/Sumpfkalk, ohne Leinöl etc.)
Ergebnis: Wenig stabile, aber flexible Verleimung. Das behauptete Aufquellen des ausgehärteten Leims in Wasser auf das doppelte Volumen trat bei mir bei einem dicken Leimstück, das ich einige Stunden in Wasser legte, nicht ein.
5 Teile mit Baumwolltuch ausgepresster Magertopfen und exakt mit der Küchenwaage abgewogen 1 Teil Kalkfarbe
Ergebnis: Nach 1 Tag Aushärtung sehr harte Verleimung. Die Leimtropfen sind auch eher spröde, aber nicht so fest wie Knochenleim. Für das Schneibrett hat es bislang insofern gereicht. Bei einer Probeverleimung war der Leim stärker als das Holz.
Vorteile:
- Wasserfest
- Natürlicher Leim. Vor allem beim Schneidbrett kann so künstlicher Leim vermieden werden.
- Mit Haushaltsmitteln jederzeit leicht herstellbar, in jedem Supermarkt beschaffbar. Keine Bestellzeiten. Sumpfkalk sollte man zu Hause haben (1 Schraubglas von einem Freund reicht ewig!)
- durch die dicke Konsistenz verläuft der Leim kaum und es lassen sich vor allem mit beidseitigem Bestreichen Hohlräume überbrücken. Anders als PU-Leim schäumt Kaseinleim ja nicht auf, sodass er wohl an solchen Stellen stabiler sein wird.
- Verarbeitungszeit mindestens 20 Minuten, wenn nicht sogar 30 Minuten
- keine Warmverleimung = kein Hetzen beim Verleimen
Nachteile:
- Richtig war die Warnung, dass Kaseinleim zumindest bei Eiche dunkle Flecken erzeugt. Allerdings ist dies nur oberflächlich, obwohl ich den Leim nicht gleich sauber nach dem Verleimen abgekratzt habe, war die Verfärbung nicht besonders tiefgehend. Ich sage nicht "leicht zu entfernen", weil es am Eiche-Hirnholz doch lange dauerte.
- Richtig war auch, dass der Kleber wohl umso stärker ist, je schwerer er sich anrühren lässt. Also 250 Gramm Topfen und Kalkmasse erfordern eine fast schweißtreibene Mischarbeit.
- Irreversible Verleimung.
Neutral:
- Zumindest bei Topfen als Kaseinlieferant habe ich nach drei Mischungen das Gefühl, dass man kein Waage braucht. Das ist bei Kaseinpulver anders, weil im Pulver ja kein Wasser ist.
- Beim Mischen wandetl sich der bröckelig-cremige Topfen recht schnell in einen zähen Kleber, gleichzeitig riecht es auf einmal streng nach verdorbener Milch oder so ähnlich.
Interessieren würden mich Berichte zu Dauerhaftigkeit dieses Leims. Weiß jemand, ob der Leim 50 Jahre und länger hält? Wenn nicht, wäre das schon ein Grund für mich, mich doch wieder mehr mit Knochenleim zu befassen.
Außerdem schreiben manche, statt Sumpfkalk (Calciumhydrat) ginge auch Kalk (Calciumcarbonat). Ich hab's nicht versucht, aber vielleicht jemand von euch?
Lorenz
Re: Kaseinleim
Moin,
50 Jahre? Das ist ja sehr konsequent ;)
Man hat Kaseinleim an Möbeln/Werkstücken aus der Zeit Dschingis Kahns und wohl auch bei den Römern und Altägytischen Möbeln nachgewiesen.
Und die Möbel/Werstücke halten heute noch
Ich denke es kommt auf das richtige Rezept an, wie lange die Verbindung hält.
Wichtig bzgl. dem Topfen(Quark) wäre noch, das er kein Lab enthalten darf.
Viele Grüße
Uwe
Re: Kaseinleim
> Außerdem schreiben manche, statt Sumpfkalk (Calciumhydrat) ginge auch Kalk (Calciumcarbonat). Ich hab's nicht versucht, aber vielleicht jemand von euch?
Ja, gelöschter Kalk ist gelöschter Kalk, Sumpfkalk ist nur schöner von der Konsistenz.
Re: Kaseinleim
Gelöschter Kalk, Sumpfkalk = Calciumhydroxid. (Calciumhydrid gibt es auch, das ist aber etwas völlig anderes. Calciumhydrat gibt es nicht.)
Grüße
Gunther
Edit: Schreibfehler ausgebessert
Re: Kaseinleim
Danke für die Richtigstellung, Chemie war nie meine Stärke.
Erwähnen möchte ich noch:
- Selbst wenn man den Topfen gut ausdrückt, schwindet der Leim etwas. Also das mit dem lückenlosen Porenfüllen funktioniert nur bedingt - aber besser ist insofern wahrscheinlich nur Knochenleim.
- Die gelblich bis braune Farbe des ausgehärteten Leims sollte man im Vorhinein optisch einplanen/akzeptieren, wenn man nicht nur perfekte Leimfugen, sondern möglicherweise auch breitere Fugen haben wird.
Lorenz
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Re: Kaseinleim
[In Antwort auf #144093]
Hallo Lorenz,
genauso wie du finde ich den Kaseinleim sehr interessant. Versucht habe ich es aber noch nicht.
Du schreibst:
Heißt dass nun, dass der Leim stärker ist wenn man mehr Kalk oder mehr Topfen verwendet? Oder war das nur eine allgemeine Aussage, dass ein Kleber erst dann gut ist, wenn er anstrengend zu mischen ist?
Hast du auch Versuche zum Mischungsverhältnis bei Verwendung von Kaseinpulver angestellt?
Zum verwendeten Kalk möchte ich noch anmerken: Sumpfkalk ist einfach nur eine Mischung aus gelöschtem Kalk und Wasser, die beiden gehen aber keine chemische Verbindung ein. Chemisch gesehen ist es also das gleiche, nur einmal mit Wasser gemischt, einmal trocken. Die anderen zwei "Arten" von Kalk, also gebrannter aber ungelöschter Kalk (Calciumoxid) und ungebrannter Kalk (Caciumoxid) sind nicht geeignet. Ersterer reagiert sehr heftig und exotherm bei Feuchtigkeitszutritt, Zweiterer (das ist im wesentlichen Kalkstein wie er als Rohstoff für die Kalkerzeugung in der Natur vorkommt) reagiert gar nicht.
Die Tatsache, dass Kalk in 3 versch. Formen im technischen Kalkkreislauf existiert und alle umgangssprachlich mitunter bloß als Kalk bezeichnet werden sowie daneben noch mit teilweise vielen anderen Namen führt leicht zu Verwechslungen. Weitere Infos dazu findest du unter dem Stichwort "technischer Kalkkreislauf" im Internet.
Hallo Lorenz,
genauso wie du finde ich den Kaseinleim sehr interessant. Versucht habe ich es aber noch nicht.
Du schreibst:
- Richtig war auch, dass der Kleber wohl umso stärker ist, je schwerer er sich anrühren lässt. Also 250 Gramm Topfen und Kalkmasse erfordern eine fast schweißtreibene Mischarbeit.
Heißt dass nun, dass der Leim stärker ist wenn man mehr Kalk oder mehr Topfen verwendet? Oder war das nur eine allgemeine Aussage, dass ein Kleber erst dann gut ist, wenn er anstrengend zu mischen ist?
Hast du auch Versuche zum Mischungsverhältnis bei Verwendung von Kaseinpulver angestellt?
Zum verwendeten Kalk möchte ich noch anmerken: Sumpfkalk ist einfach nur eine Mischung aus gelöschtem Kalk und Wasser, die beiden gehen aber keine chemische Verbindung ein. Chemisch gesehen ist es also das gleiche, nur einmal mit Wasser gemischt, einmal trocken. Die anderen zwei "Arten" von Kalk, also gebrannter aber ungelöschter Kalk (Calciumoxid) und ungebrannter Kalk (Caciumoxid) sind nicht geeignet. Ersterer reagiert sehr heftig und exotherm bei Feuchtigkeitszutritt, Zweiterer (das ist im wesentlichen Kalkstein wie er als Rohstoff für die Kalkerzeugung in der Natur vorkommt) reagiert gar nicht.
Die Tatsache, dass Kalk in 3 versch. Formen im technischen Kalkkreislauf existiert und alle umgangssprachlich mitunter bloß als Kalk bezeichnet werden sowie daneben noch mit teilweise vielen anderen Namen führt leicht zu Verwechslungen. Weitere Infos dazu findest du unter dem Stichwort "technischer Kalkkreislauf" im Internet.
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Re: Kaseinleim
Hallo,
ungebrannter Kalk (Caciumoxid)
Ungebrannter Kalk ist keineswegs Caciumoxid (CaO) sondern Calciumcarbonat (CaCO3).
Und Kalk heissen Ca0 (Branntkalk)und Ca(OH)2 (gelöschter Kalk, Löschkalk) auch nur bei Maurern, Chemiker benutzen Calciumoxid, Calciumhydroxid und Calciumcarbonat.
Wolfgang
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Re: Kaseinleim
Hallo Wolfgang,
du hast natürlich recht, da habe ich mich verschrieben. Dem geneigten Leser fällt dieser Fehler hoffentlich auch gleich auf, denn ungebrannter und gebrannter Kalk kann ja kaum das selbe sein ;-)
Wenn man bedenkt in welchem Zusammenhang Kalk meistens verwendet und woher ihn Otto-Normalverbraucher auch meist kennt, sind die Maurerbegriffe durchaus gerechtfertigt, denke ich, auch wenn sie bisweilen etwas unklar sind. Im Baustoffhandel wird man mit der Frage nach "Löschkalk" wohl auch weiter kommen als mit "Calciumhydroxid" ;-)
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- Registriert: Do 2. Nov 2017, 12:23
Re: Kaseinleim
Guuden,
In einem Lehrbuch aus den 20er bis 30er Jahren finden sich einige Rezepturen für
Leime, u.A. auch auf Basis von Leinöl, sowie Verarbeitungshinweise.
Prof Söhlemann, Handbuch der Tischlerei, antiquarisch erhältlich.
Auf Wunsch kann ich Interessierten gerne Kopien zum Einstellen zukommen lassen.
Das Urheberrecht dürfte längst abgelaufen sein.
g.H.! J.
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Re: Kaseinleim
Hallo Justus!
Das klingt sehr interessant. Ich würde mich sehr freuen wenn du mir aus diesem Buch ein paar Seiten scannen könntest. Vor allem würde mich das Thema Kaseinleim interessieren.
Lg Wolfgang