Schärfen auf europäisch?
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Schärfen auf europäisch?
Hallo liebe Holzwerker
Bisher schleife ich mein Werkzeug auf japanischen Wassersteinen. Zum Abziehen benutze ich jedoch einen Rozsutec-Stein aus der Slowakei.
Mit den japanischen Steinen bin ich zufrieden, frage mich aber, ob es auch Alternativen aus Europa gibt. Vorzugsweise Natursteine.
Der Rozsutec ist sehr hart und braucht recht lang zum Abziehen, produziert aber eine für mich sehr gute Schärfe.
Womit haben unsere Opas, abgesehen von Belgischen Brocken, ihr Werkzeug geschliffen?
Hat jemand Erfahrung mit dem "Thüringer Wasserstein"?
Vielen Dank für eure Antworten,
Markus Heinbach
Re: Schärfen auf europäisch?
hallo Markus,
die "Alten" haben, jedenfalls hier im Schwäbischen, unterschieden zwischen "Schleifen" und "Wetzen".
Mit Schleifen meinte man das eher kräftige Abtragen von Material, um Schneiden zu formen, Scharten auszuschleifen etc. Schleifen wurde auf handgetriebenen, wassergekühlten Schleifsteinen ausgeführt, teilweise mit recht grossem Durchmesser. Es waren meist lokale Sandsteine, hier in der Gegend oft der rote Schwarzwälder Sandstein oder ein gelblicher Sandstein, dessen Herkunft ich nicht kenne.
Zum Wetzen nahm man alles, was sich zum Abziehen eignete. Buchstäblich wurde jeder Stein, der einem Handwerker in die Hand fiel, auf seine Schleifeigenschaften hin ausprobiert. Ich habe vor ca 10 Jahren in einer Schreinerei ein Stück eines Grabsteines (Roter Sandstein) gesehen, auf dem noch die Beschriftung zu ahnen war. Er ruhte in einem selbstgefertigten hölzernen Trog von den Ausmassen einer Kinderbadewanne und wurde ständig feucht gehalten. Er wurde wohl schon jahrelang verwendet, weil er im Bereich der Wasseroberfläche weisse Ausblühungen hatte. Alle Stechbeitel und Hobelmesser wurden darauf abgezogen.
In einer anderen Schreinerei sah ich grössere Schieferstücke, teilweise so gross wie ein dickes Buch. Auch glatte Ziegel und gebrannte Bodenfliesen wurden verwendet (Hinweis in einem Buch).
Mein Grossvater hatte einige alte Bodenfliesen aus Solenhofer Schiefer (einem in Platten vorkommenden Kalkstein) und schwor darauf, damit die beste Schärfe zu erhalten. Er verwendete auch einen dunklen Schieferstein, der mit Öl (Nähmaschinenöl + Petroleum) tatsächlich gut arbeitete.
Mein Vater zog seinen Halbmond (ein Sattlermesser) auf dem Boden einer alten Keramikschüssel ab und der Halbmond war rattenscharf! Die Ahlen wurden mit einem sehr feinen Stein unbekannter Herkunft und mit Öl abgezogen oder mit Wasser auf einem alten, abgebrochenen Sensenwetzstein, einem sehr feinen Schiefer, den ich für Taschenmesser etc immer noch verwende (ein Schwabe wirft nicht weg).
viele Grüsse
reinhold
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Re: Schärfen auf europäisch?
Hallo,
Hm, ich kenne nur belgische Brocken als hier in früheren Zeiten übliche Abziehsteine und die sind nach meiner Erfahrung wirklich exzellent. Ich habe einen (Bankstein, Zufallsfund in einer Schublade ...) und bin damit sehr zufrieden. Solange dieser Belgier nicht total verschlissen ist, kommt mir kein Japanese ins Haus. :-)
Grüße
Wolfgang
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Re: Schärfen auf europäisch?
Hallo Reinhold
Danke für die interessante Antwort! Eine alte Keramikschüssel, nicht schlecht. Leider in der damaligen Qualität wohl nicht mehr zu bekommen...;O)
In Indonesien scheint man heute noch ähnlich zu denken. Dort habe ich erlebt, wie mir mein Messer mit einem Stein vom Strassenrand "geschärft" wurde. Mit der Schärfe des Messers in Indonesien war ich nicht zufrieden!
Vielleicht kennt aber jemand Steine, die heute noch im Handel erhältlich sind?
Gruss,
Markus
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Re: Schärfen auf europäisch?
Hallo,
Vielleicht kennt aber jemand Steine, die heute noch im Handel erhältlich sind?
Belgische Brocken gibt es durchaus noch, in Banksteingröße sind sie allerdings inzwischen teuer, für große Steine können 200 EUR und mehr aufgerufen werden. Wenn Du viel Zeit und Glück hast, findest Du vielleicht einen Belgier auf dem Flohmarkt in einer Grabbelkiste bei jemandem, der nicht weiß, was er da hat, für ganz kleines Geld.
Grüße
Wolfgang
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Re: Schärfen auf europäisch?
[In Antwort auf #139094]
Reinhold,
das ist wirklich erhellend, etwas aus eigener Anschauung über die Schärfmittel unserer Vorfahren zu hören -- danke! Da relativiert sich der Overkill, der heute oft beim Schärfen betrieben wird, ganz erheblich. Die Eisen der Alten waren ja nicht weniger scharf.
Viele Grüße aus dem Stuttgarter Neandertal
Claus Keller
Reinhold,
das ist wirklich erhellend, etwas aus eigener Anschauung über die Schärfmittel unserer Vorfahren zu hören -- danke! Da relativiert sich der Overkill, der heute oft beim Schärfen betrieben wird, ganz erheblich. Die Eisen der Alten waren ja nicht weniger scharf.
Viele Grüße aus dem Stuttgarter Neandertal
Claus Keller
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Re: Schärfen auf europäisch?
[In Antwort auf #139097]
Ein Freund meinereinems, Schmied und Schlosser seines Zeichens, hat mir kürzlich gezeigt, wie er ein Messer am Bodenring eines Steinguttellers abzieht. Teufel, war das scharf danach! Das passt zu dem hier schon gesagten, dass man kaum glauben mag, WAS alles zum Schleifen und Abziehen geeignet ist...
Andreas
Ein Freund meinereinems, Schmied und Schlosser seines Zeichens, hat mir kürzlich gezeigt, wie er ein Messer am Bodenring eines Steinguttellers abzieht. Teufel, war das scharf danach! Das passt zu dem hier schon gesagten, dass man kaum glauben mag, WAS alles zum Schleifen und Abziehen geeignet ist...
Andreas
Keramik
Hallo zusammen!
Keramik wurde nicht nur damals zum Abziehen verwendet.
Ganz aktuell und modern wird diese Mothode mit eigens
dafür hergestellten "Keramiksteinen" im Bereich
des Schirennlaufen im Kantentuning eingesetz - als finish quasi.
Z.b. hier (http://www.sportshop.at/veredeln-cat36.aspx) zu sehen.
MbG
Axel
Re: Schärfen auf europäisch?
hallo Klaus,
"Overkill" ist gut formuliert!
Ich komme ja aus dem Handwerk und bei uns war immer wichtig, dass die Werkzeuge scharf waren. Schon deshalb, weil ein scharfes Werkzeug mit geringst möglicher Kraftanwendung einen guten Schnitt liefert, der nicht nachgearbeitet werden muss.
Aber jeder Handwerker, der mit seinen Werkzeugen Geld verdienen muss, weiss, dass man auch zuviel Zeit in das Schärfen stecken kann. Die ganz superscharfen Schneiden hielten nicht so lange, man musste früher nachschärfen. Gesucht war damals eine gute "Gebrauchsschärfe", die möglichst lange hielt. Schärfen zählte nicht als Schaffen.
Wichtig ist auch, was geschnitten werden soll. Bei Holz läuft der eigentlichen Schneide ein winziger Spalt voraus, schön dargestellt im Schärf-Buch von Leonard Lee. Die eigentliche Schneide kommt also gar nicht so direkt ständig zum Einsatz. Bei Leder ist das anderst, hier ist die Schneide ständig im Einsatz, weil Leder keine geschichteten Fasern hat, sondern diese laufen dreidimensional kreuz und quer, und müssen immer durchtrennt werden. Hier sind abriebfeste Schneiden erforderlich, die daher auch immer ballig waren.
viele Grüsse
reinhold
Re: Schärfen auf europäisch?
[In Antwort auf #139092]
"ob es auch Alternativen aus Europa gibt"
Wästikivi (FIN), Gotlandsbrynet (SWE)
"ob es auch Alternativen aus Europa gibt"
Wästikivi (FIN), Gotlandsbrynet (SWE)